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Gesellschaft CJZ Main-Taunus Kreis e.V.

Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus Kreis e.V.
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Spuren jüdischen Lebens: Bad Soden

1. Betraum mit Mikwe

 Bis ins 19. Jahrhundert hinein lebten nur vereinzelt Juden in Soden. Ende des 18. Jahrhunderts hatte das Dorf weniger als 500 Einwohner. Das Haus Dachbergstraße 2, heute das Gasthaus „Frankfurter Hof“, diente ab 1762 bis 1780 als bescheidener Gebetsort für die nicht selbständige jüdische Gemeinde. Im Keller befindet sich noch die Mikwe. Mangels des fehlenden Minjan (mindestens 10 im religiösen Sinn mündige Juden) mussten die Sodener Juden den Weg zur Synagoge nach Niederhofheim auf sich nehmen.
 

Mikwe (Dachbergstraße 2)

Im Gewölbekeller ist der gemauerte Schacht einer Mikwe – eines Ritualtauchbades – erhalten, das zwischen 1846 und 1886 genutzt wurde. Wahrscheinlich wurde die Mikwe im Zusammenhang mit dem Bau der Synagoge 1846 in der Enggasse/Neugasse errichtet.

 

 

2. Synagoge Neugasse/Ecke Engasse

Mit der wachsenden Zahl jüdische Kurgäste stieg der Bedarf an einem Gebetsort. In der Folge der dauerhaften Ansiedlung jüdischer Familien kam es zum Bau der Synagoge in der Neugasse. Sie wurde 1846 eingeweiht. Das Projekt kam mit Hilfe vieler Frankfurter Gäste und Mäzene zustande.

 

 

Die Synagoge wurde am 10. November 1938 zerstört. Das Gebäude wurde als Lagerraum genutzt und in den 1970er Jahren abgerissen. Am heutigen Wohngebäude weist eine Gedenktafel auf die Synagoge hin.

 

 

 

 

3. Israelitische Kuranstalt

Zwischen Talstraße 12 und Dachbergstraße 25 befand sich eine Kuranstalt für arme Israeliten, von Mäzenen wie Wilhelm Carl von Rothschild gefördert, von Dr. Max Isserlin geleitet. Am 10. November 1938 wurde die Anstalt gestürmt, die Einrichtung niedergebrannt und die Kurgäste in Schlafanzügen auf die Straße getrieben und verjagt. Eines der Nebengebäude steht heute noch als Wohnhaus. Ein Gedenkstein mit Bronzetafel erinnert an die Kuranstalt.

 

4. Haus Reiss

Enoch Reiss, jüdischer Bankier aus Frankfurt, baute 1839 auf dem Grundstück zum Quellenpark 8 ein spätklassizistisches Palais. Es gilt als bauliches Zeugnis jüdischen Mäzenatentums, obgleich Reiss ins Christentum übertrat. Während der Verfolgungen im Dritten Reich diente das Haus jüdischen Mitbürgern als Zufluchtsort. Die Familie Reiss lebte über mehrere Generationen in Bad Soden und engagierte sich vielfältig für den Ort. Enoch Reiss, sein Sohn und sein Enkel wurden Ehrenbürger der Stadt.

 

5. Villa Sans Souci

Ein Zeugnis Bad Sodener Gastfreundschaft im 19. Jahrhundert gegenüber jüdischen Kurgästen ist die Villa Sans Souci in der Alleestraße 6, errichtet um 1858. In der Fassade zwischen Erdgeschoß und 1. Stock sind Davidsterne als Schmuckelemente angebracht.

 

 

6. Villa Rothschild

Der Jugendstilbau des Lungenspezialisten Dr. David Rothschild ((1875-1936) wurde am Alten Kurpark, Königsteiner Straße 86a, um 1904 errichtet. Dr. Rothschild praktizierte hier und war unter anderem auch wegen seiner Diätkuren bekannt. Er veröffentlichte zahlreiche Schriften über die Bekämpfung der Lungentuberkulose. Am 22.3.1912 heiratete er Stephanie Abeles Das Ehepaar bekam eine Tochter. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 verließ Dr. Rothschild Deutschland und starb 1936 in Schweden.

Villa Rothschild Nebengebäude

Dr. Rothschild verabreichte hier, Königsteiner Straße 86b, seinen Patienten moderne Lichtkuren, Massagen und Elektrizitätstherapien. Heute befindet sich im Haus das Hochzeitszimmer der Stadt Bad Soden.

 


 

7. Koscher Villa Aspira

Am Beginn der Talstraße, am Rand des Wilhelmsparks, steht die Villa Aspira. 1911 errichtete sie Dr. phil. Adolf Kallner als streng rituell geführtes Erholungsheim. (GmbH: Sarah Beith, Dr. Adolf Kallner und Ignaz Aron) Nach ihrer Zwangsenteignung in den 1930er Jahren wurde sie 1935 als NS-Schule für Kommunalpolitik benutzt. Sarah Beith war die Schwester von Ida Beith, der langjährigen Oberin der Israelitischen Kuranstalt. Sarah Beith heiratete Dr. Kallner. Das Ehepaar hatte eine Tochter Eva.
 

8. Jüdischer Sammelfriedhof

In der Niederhofheimer Straße/Ecke Am Reitplatz befindet sich der ehemalige jüdische Sammelfriedhof, 1873 angelegt, bis 1939 Begräbnisstätte der jüdischen Gemeinden Bad Soden, Hattersheim, Höchst, Hofheim, Okriftel. Am Eingang befand sich eine Leichenhalle. Sie wurde in der Pogromnacht beschädigt und 1964 im Rahmen von Straßenbauarbeiten abgerissen. Die niedergelegten Grabsteine wurden in den 1990ern wieder aufgerichtet.

 

9. Haus & Praxis Dr. med. Max Isserlin

Der Sodener Badearzt, langjähriger Leiter der Israelitischen Kuranstalt, Vorsteher der Jüdischen Gemeinde, mehrmals Vorsitzender des Ärztevereins, Dr. Max Isserlin, wohnte und praktizierte hier in der Hauptstraße 6 (heute: Zum Quellenpark 6) bis zu seiner Flucht 1938.

 

 

10. Der Holländische Hof

Joseph Kahn erbaute das Zwerchhaus 1835 als Wohnhaus. Sein Sohn David erweiterte es und betrieb es als Hotel „Holländischer Hof“ mit 5 Badekabinetten in der Königsteiner Straße 55.

 


 

11. Villa Aurora

Sie wurde 1904 von Julius Scheuer, Vorsteher der jüdischen Gemeinde, Inhaber der Firma „Julius Scheuer OHG“ in der Alleestraße 24 erbaut. Das Ehepaar Fanny und Julius Scheuer hatten 6 Kinder. 3 Kinder Scheuer: Emil, Rosa und Käthchen heirateten 3 Kinder Grünebaum: Therese, Max und Adolf. Simon Scheuer wurde in Ausschwitz ermordet, die Zwillinge Johanna und Frieda sind auf dem Jüdischen Friedhof in Bad Soden bestattet. Max Grünebaum, er war der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde, J. Scheuers Schwiegersohn, wurde nach dessen Tod Mitinhaber der Firma und lebte dort bis 1938 zusammen mit seiner Familie und Schwager Abraham Cohn und Schwägerin Therese. (Witwe des Emil Scheuer, geborene Grünebaum)

12. Villa Rheinfels

Die Villa, erbaut 1856-58, hatte Michael Neuhof 1907 an der Königsteiner Straße 39 / Ecke Alleestraße übernommen und darin ein koscher geführtes Hotel für Kurgäste eröffnet. Nach seinem Tod 1921 lebten dort noch seine Witwe Sophie Neuhof, geb. Mayersohn, Tochter Therese mit ihrem Ehemann Leopold Strausser und ihrer Tochter Liselotte. Villa Rheinfels wurde von ihnen verfolgungsbedingt 1939 verkauft. Sophie Neuhof und ihr Schwiegersohn Leopold Strausser starben unter ungeklärten Umständen im November 1939. Beide sind auf dem jüdischen Friedhof in Frankfurt bestattet. Therese Strausser wurde am 22.11.1941 bei der dritten großen Deportation von Frankfurt nach Kowno deportiert und 1941 ermordet. Die 17 jährige Liselotte Strausser überlebte durch Flucht in die USA.

13. Die Viehhändlerfamilie Strauss

Viehhändler Moritz Strauss lebte mit seiner Frau Lina und seinen beiden Kindern Wilhelm und Johanna in der Neugasse 3. Sein Sohn Wilhelm wurde ebenfalls Viehhändler, heiratete Olivia Strauss, geborene Strauss. Das Enkelkind Hannelore wurde 1929 geboren. Tochter Johanna war mit ihrem Mann ausgezogen. Seit 1924 leitete Moritz Strauss als 2. Gemeindevorsteher mit Dr. Max Isserlin die Geschicke der jüdischen Gemeinde und erlebte mit seiner Familie den fortschreitenden Prozess der Entrechtung, Demütigung und Ausgrenzung aus dem täglichen Leben. Seinen Kindern und Schwiegerkindern mit den Enkelkindern Kurt und Ruth Barmann und Hannelore Strauss gelang die Flucht in die USA. Er war krank geworden und blieb alleine mit seiner Frau Lina zurück.

14. Villa Charlotte (Freymann)

Ab 1918 war Bernhard Freymann stets unter derselben Adresse wie die Diakonisse Charlotte Neumann gemeldet, die er im Dezember 1926 heiratete. Im selben Jahr erwarb das frisch vermählte Ehepaar das jetzige Haus Hasselstraße 20 (frühere Nr.14), das 1926/1927 zu einer Pension umgebaut wurde. Ab 1927 beherbergte die„Villa Charlotte“ Gäste. Charlotte Freymann starb am 6.10.1931. 1941 wurde Bernhard Freymann von Frankfurt aus in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert und dort ermordet.

 

15. Literatur

DER JÜDISCHE FRIEDHOF IN BAD SODEN
... ein Archiv im Freien

Das Buch ist im Blattlausverlag Saarbrücken erschienen und ist im Buchhandel für 24,50€ erhältlich. Softcover, 210 Seiten | Ausstattung: Karte (gefalzt)
(c) 2019 Blattlaus (Verlag), 978-3-945996-29-4 (ISBN)
Herausgeber ist die CJZ MTK

Das Buch will die Erinnerung an Menschen aus 5 Gemeinden im Main Taunus Kreis, sowie an 56 Kurgäste aus den verschiedensten europäischen Ländern bewahren. Der Leser kann sich entweder auf Spurensuche seiner eigenen Herkunftsfamilie begeben oder eine interessante Entdeckungsreise in jüdischen Familiengeschichten, religiösen Traditionen und Zeitgeschichte beginnen. Denn: dank der Übersetzungen aller hebräischer Grabsteininschriften (deren Abkürzungen erklärt und mit zusätzlichen Informationen versehen wurden) und intensiver Recherchen, kann der Leser tief eintauchen in eine fast untergegangene Welt.

Mehr zum jüdischen Friedhof in Bad Soden:
http://juedischerfriedhof.von-bad-soden.de/?page_id=2&lang=de
 

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